Carl Thomas – Let’s Talk About It

Musikalisch sind es schnelle Zeiten, in denen wir leben. Vier Jahre nach dem Debüt bei einem Major verstreichen zu lassen, bevor endlich ein Nachfolge-Album in den Läden steht, ist auf den ersten Blick fast tödlich für eine Karriere. Doch wenn wir uns anschauen, wo Bad Boy Records noch Mitte 2003 stand, ist es wohl doch besser, bis Anfang 2004 gewartet zu haben. Denn ohne ein starkes – nicht unbedingt großes – Label im Rücken, wird der Künstler mit seinem Talent nur Insider begeistern können.

Auf Platz 2 in die amerikanischen Black Music Album Charts einzusteigen, war ein super Start für „Let’s Talk About It“. Da bekommt P. Diddy, der Executive Producer der CD, meinen höchsten Respekt. Der Mann versteht was von guter Musik. Klar, er hat auch Projekte wie Bad Boy’s Da Band, aber P. Diddy ist eben auch jemand, der was vom Geschäft versteht. Da bekommt jeder Künstler das, was er braucht.

Im Falle von Carl Thomas ist das beste Qualität, wobei in der langen Liste der Produzenten auch Namen wie Mike City, Stevie J. und nicht zuletzt Mario Winans stehen. Wieder einmal hat es P. Diddy verstanden, Qualität und Kommerz in ein ansprechendes Verhältnis zu bringen. Titel wie die Vorab-Single „She Is“ mit LL Cool J (als einzigem Gastkünstler des ganzen Albums!) sind für ein großes Publikum gemacht. Dafür das „Happy“-Sample der legendären Formation Surface zu nutzen, ist zwar nicht besonders spannend, aber wenigstens sauber gemacht.

Mehr Freude kommt bei mir mit Songs wie „Dreamer“ auf, die unaufdringlich, leichtfüßig, frisch sind, ohne dass man sich gleich sagt „Hey, ist das aber neu!“. So ein Track ist zeitlos gefragt bei denen, die Soul zu schätzen wissen. Dass es davon eine ganze Reihe gibt – „A Promise“ gehört auch dazu beispielsweise – macht „Let’s Talk About It“ zu einem Album, das nicht nur 2004 seine Fans finden wird.

Interessant ist, dass „Let’s Talk About It“ organischer klingt als die meisten aktuellen Soul/R&B-Alben, die oft sehr technisch und ausgesprochen clean wirken. Das hat auf jeden Fall seinen Reiz, aber Carl Thomas hat es hier geschaft, einen Sound zu schaffen, der auch bei den ruhigen Tracks voller Leben zu sein scheint.

Darüberhinaus höre ich mir bei dieser CD sogar freiwillig die Interludes an, denn aus jedem könnte man hier eine erfolgreiche Single machen. Was man darin hört ist (leider) besser als viele der besten Tracks auf so manch anderem Album dieses Genres. Einziger Fehlschlag ist meines Erachtens das Lied „Rebound“, das dermaßen öde vor sich hin eiert, dass sich mein Kopf jedes Mal vor lauter Kopfschütteln mit bewegt.

Wenn ich vorhin die Frische gelobt habe, möchte ich das hier einschränken oder besser präzisieren: Auf „Let’s Talk About It“ findet sich kaum etwas, was der Soulkenner nicht schon bei dem einen oder anderen Interpreten gehört hätte. Macht aber gar nichts, das ist so wie bei einer heißen Tasse guten Kaffees mit knusprigen Brötchen zum Frühstück: Das kann sehr frisch rüberkommen und für den Moment das Leckerste von der Welt sein. Soviel Innovation ist da gar nicht erforderlich.

Künstler: Carl Thomas | Album: Let’s Talk About It | Label: Universal | VÖ: 23. März 2004

Über Oliver Springer 339 Artikel
Oliver Springer gehört neben Jörg Wachsmuth zu den Gründern von rap2soul. Er lernte Hörfunk ab 1994 bei JAM FM und moderierte dort fast 12 Jahre. Später war der ausgebildete PR-Berater er als Pro-Blogger tätig. Gemeinsam mit Wachsmuth entwickelte Springer den Digitalradiosender PELI ONE - Dein neues Urban Music Radio, bei dem er seit 2018 den Nachmittag in der Drive Time moderiert.