Babyface – Grown & Sexy

Der alte Babyface ist zurück! „Grown & Sexy“ ist ein Album ganz nach dem Geschmack unzähliger Fans, die den typischen Babyface-Stil zuletzt vermisst hatten. Kenneth Edmons hat sich nicht nur drei Jahre Zeit gelassen, sondern mit dem Vorgänger „Face2Face“ auch viele der alten Fans enttäuscht. Dieser halbherzige Versuch, modern zu klingen, ging einfach mal daneben, Trends hinterherzulaufen zahlt sich für einen so erfolgreichen Künstler, der mit seinem ganz eigenen Stil geliebt wird, eben nicht aus.

Vom Klang her ist „Grown & Sexy“ ein Album ohne Experimente ganz auf der alten Erfolgsschiene. Das war jetzt schon das Dritte „alt“ von mir in den wenigen Zeilen, hat Babyface also nichts Neues zu bieten und ist er tatsächlich am besten dran, wenn er alles „wie immer“ macht?

Babyface selbst sagt über „Grown & Sexy“, dass er diesmal weniger über die heiteren Seiten der Liebe geschrieben, sich stattdessen auf das Dramatische eingelassen hat. Sich darauf als Hörer einzulassen, ist gewiss nicht jedermanns Sache, denn der Künstler trägt seinen Herz-Schmerz dick auf. Das ist phantastisch, wenn man so was mag. „Grown & Sexy“ bietet die passende Musik, um die Liebe deines Lebens ganz fest an dich zu drücken oder voller Schmerz und Sehnsucht in dein Kissen zu weinen.

Ich bezweifle, dass der Titel – abgesehen davon, dass er griffig und dennoch elegant ist, Respekt dafür! – eine gute Wahl ist. Der Longplayer selbst ist weniger sexy als sehr, sehr romantisch. Der Titel suggeriert eine Reife, die Babyface textlich mit seinem Honig, mit dem er übersüß die Ohren schmeichelt, nicht einlöst. Ähnlich wie R. Kelly, der seine sexuellen Fantasien mit zum Teil sehr unbeholfen wirkenden Metaphern reich ausschmückt, ist auch Babyface in seiner Wortmalerei mehr als großzügig. Damit kein Missverständnis aufkommt: Babyface ergeht sich dabei nicht in Sexfantasien, sondern zelebriert konsequent Gentleman-Soul. Dennoch kann diese CD von vorn bis hinten im Schlafzimmer laufen.

Beim ersten Hören sticht kein Song so aus dem Album hervor, dass man ihn vor allen anderen zum Hit erklären würde. Wüsste man es nicht besser, könnte „Grown & Sexy“ glatt als ein Best of-Album durchgehen, denn jedes Lied ist so glatt und nahezu perfekt, dass es für ein „neues“ Album fast schon übertrieben ist. Ecken und Kanten sucht man auf dieser Scheibe vergebens, was in diesem Fall allerdings kein Nachteil ist. Um eine großartige CD aufzunehmen, muss sich ein Künstler nicht weiterentwickeln. Wer sich auf so hohem Niveau wie Babyface bewegt, kann eine Weile auf seinem Level bleiben.

Künstler: Babyface | Album: Grown & Sexy | Label: Arista | VÖ: 30. September 2005

Über Oliver Springer 339 Artikel
Oliver Springer gehört neben Jörg Wachsmuth zu den Gründern von rap2soul. Er lernte Hörfunk ab 1994 bei JAM FM und moderierte dort fast 12 Jahre. Später war der ausgebildete PR-Berater er als Pro-Blogger tätig. Gemeinsam mit Wachsmuth entwickelte Springer den Digitalradiosender PELI ONE - Dein neues Urban Music Radio, bei dem er seit 2018 den Nachmittag in der Drive Time moderiert.