Trey Songz – I Gotta Make It

Nichts wirklich Neues, aber um Klassen besser als der Durchschnitt im modernen R&B; das gilt für das Debütalbum von Trey Songz. Von sich selbst überzeugt zu sein, ist gerade im harten Musikgeschäft von entscheidender Bedeutung. Den Titel „I Gotta Make It“ trägt das Album allerdings zu Recht, denn mit so viel Talent und dazu noch prominenter Unterstützung kann es Trey Songz gelingen, eine lange Karriere als Megastar aufzubauen.

Track 1 ist ein Intro, auf dem Trey Songz sich nicht selbst anpreisen muss, sondern – festhalten! – die Queen of Soul Aretha Franklin ihm versichert, dass er es schaffen wird. Zusammen mit dem Rapper Juvenile ist sie auch auf dem Remix seines Hits „Gotta Make It“ zu Gast. Ihre Unterstützung rührt daher, dass Trey für sie einen Song geschrieben hatte, der es dann aber doch nicht auf ihr Album geschafft hatte, den sie selbst aber sehr mochte.

Die meisten 20jährigen R&B Newcomer würden neben Aretha Franklin alt aussehen und sich keinen Gefallen mit einer Zusammenarbeit tun, weil der Qualitätsunterschied schlicht so groß wäre. (Neben einer Haselnuss wirkt eine Walnuss groß. Verglichen mit einer Kokosnuss sieht sie sehr klein aus.)

Dieser junge Mann ist die Ausnahme und beeindruckt damit, dass er mit Aretha Franklin in derselben Liga spielen kann. Da vergleichen wir allerdings Äpfel mit Birnen – irgendwie. Ein Vergleich, der sich auch mir an mehreren Stellen des Albums aufgedrängt hat, ist der mit R. Kelly. Darauf wird Trey Songz immer wieder angesprochen, was ihn jedoch nicht stört. Immerhin war der große Mann aus Chicago der einzige R&B-Künstler, den er früher regelmäßig gehört hat, die Musik seiner Wahl war Hip-Hop: Nas, Jay-Z und The Notorious B. I. G. waren seine Favoriten. Deshalb hat Trey Songz selbst zunächst auch gerappt – bis ihn seine Freunde einmal haben singen hören. So beeindruckt waren sie von Trey’s Singstimme, dass sie ihn baten, das Rappen sein zu lassen, um sich aufs Singen zu konzentrieren. 15 Jahre war er damals jung und gesungen hat er dann nicht etwa, um ein großer Sänger zu werden oder einfach groß raus zu kommen, sondern – sympathisch normal für sein Alter – um „cool points“ zu sammeln, wie er es ausdrückt.

Oft beginnen die Karrieren von Soul- und R&B-Künstlern schon im Kindergartenalter, wenn sie ihre Stimmen im Kirchenchor trainieren oder ihre musikalischen Eltern sie dazu ermuntern bis drängen. Von Trey’s Großmutter abgesehen, die – ja, im Kirchenchor – gesungen hat, stammt er nicht aus einer musikalischen Familie. Persönlich finde ich es sehr ermutigend, dass ein Mensch auch eine normale Kindheit genießen und trotzdem Aussichten auf eine große Gesangskarriere haben kann.

Ahmet Ertegün stellt ihn sogar in eine Reihe mit Otis Redding, Aretha Franklin und Ray Charles, er sieht in ihm einen der vielversprechendsten Künstler, der jemals bei Atlantic Records unter Vertrag war – der Mann kennt sich aus, er hat die Firma 1947 gegründet.

Neben der dafür notwendigen Stimme bringt Trey Songz dazu seine Fähigkeiten als Songschreiber ein. Sind die meisten jungen R&B-Sänger stolz darauf, bei ein paar Liedern mitgeholfen zu haben, hat Trey schon beim ersten Mal alles selbst geschrieben. Ist das schon ungewöhnlich genug, glänzt er bei einzelnen Tracks auch noch mit einer für einen so jungen Menschen seltenen Tiefe. Bestes Beispiel dafür ist „From A Woman’s Hand“, mit dem er sich bei seiner Mutter sowie den anderen Frauen, die mitgeholfen haben, ihn aufzuziehen, bedankt. Gleichzeitig wendet er sich an die Väter, die sich nicht aus der Verantwortung ihrer Vaterpflichten stehlen sollten.

Künstler wie er haben generell mehr weibliche als männliche Fans, so dass es nur konsequent ist, wenn R&B-Sänger sich als Frauenversteher präsentieren. Bei Trey hingegen kommt die männliche Perspektive nicht zu kurz. In „Cheat On You“ wendet er sich zwar direkt an die „Ladies“, aber nicht, um ihnen zu schmeicheln, sondern um sie zu warnen, ihren Mann nicht durch ihr Verhalten, zum Fremdgehen zu bringen. Leider bleibt er hier ganz allgemein, ohne die Dinge, die ihn nerven, direkt anzusprechen. Von der Melodie erinnert der Track an „All I Do“ (ursprünglich Ende der 60er für Tammi Terrell geschrieben, als „All I Do Is Think About You“, aber bekannter wohl seit 1980 durch Stevie Wonder auf „Hotter Than July“ [„All I Do“]).

Wie wichtig ihm das Schreiben seiner Lieder ist, drückt er über seinen Künstlernamen aus. Trey ist sein Spitzname, was er singt, sind seine eigenen Songs, so erklärt er „Trey Songz“. Anfangs mochte den Namen keiner. Nötig hätte er einen Künstlernamen nicht, denn sein bürgerlicher Name ist für einen ernsthaften R&B-Mann geradezu perfekt: Tremaine Neverson.

Nein, produziert hat er sein Debüt nicht auch noch – nicht alleine, Trey Songz wird nur als Co-Executive Producer gelistet. Davor kommen Troy Taylor (der ihn geradezu unterrichtet hat), Mike Caren und Delante „Butta“ Murphy. Produziert haben zusätzlich Ron G und Organized Noise.

Mit Alben wie „I Gotta Make It“ von Trey Songz sollte das Thema „Krise des R&B“ vom Tisch sein.

Künstler: Trey Songz | Album: I Gotta Make It | Label: Import (Megaphon Importservice) | VÖ: 9. September 2005

Über Oliver Springer 339 Artikel
Oliver Springer gehört neben Jörg Wachsmuth zu den Gründern von rap2soul. Er lernte Hörfunk ab 1994 bei JAM FM und moderierte dort fast 12 Jahre. Später war der ausgebildete PR-Berater er als Pro-Blogger tätig. Gemeinsam mit Wachsmuth entwickelte Springer den Digitalradiosender PELI ONE - Dein neues Urban Music Radio, bei dem er seit 2018 den Nachmittag in der Drive Time moderiert.

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