Patti LaBelle – Classic Moments

Großartige Songs gesungen von Patti LaBelle. Als Kurzfassung und Orientierung mag das schon reichen. Andere fragen sich, ob angesichts der zahlreichen Veröffentlichungen von Alben, die nur Coverversionen bekannter Lieder enthalten, hier tatsächlich Neues zu hören ist. Die Antwort darauf lautet im Fall von „Classic Moments“: zum Teil. Meine Gegenfrage dazu: Wie neu muss es denn sein?

Wer wie ich Patti LaBelle vor allem als Sängerin schätzt, die mit ihrer Stimme hervorragende Arbeit leistet, ihre Arbeit mit dem Material bewundert, wird hier keine Antwort benötigen. Im Gegensatz zu Projekten mit Coverversionen von anderen Künstlern, erhalten wir auf „Classic Moments“ keine besonders persönlich gefärbten Versionen der Hits. Schon der Begriff Neuninterpretation würde einen falschen Eindruck vermitteln, impliziert er doch ein Maß an Innovation, das hier bestimmt gar nicht intendiert war.

Patti LaBelle singt die Klassiker einfach auf ihre Art, auf ihrem hohen Niveau, das würde ich aber nicht zu einem künstlerischen Konzept erheben wollen. Sie ist die Art von Sängerin, die „alles“ singen kann, ein Profi, der einfach weiß, wie es geht. Eine Menge Künstler überzeugen durch die persönliche Leidenschaft, mit der sie ihre Songs singen, auch wenn sie handwerklich einige Schwächen haben. Das kompensieren sie. Im Gegensatz dazu habe ich bei Patti LaBelle recht oft das Gefühl, dass sie eine gewisse Distanz zu den Songs behält, dafür auf technischer Ebene brilliert.

Dennoch hat mich innerlich noch keine Version von „Love Don’t Live Here Anymore“ so berührt, wie die von Patti LaBelle. Das 1978er Original von Rose Royce ist wunderschön, für Faith Evans ist es nach wie vor eines der schönsten Stücke, die sie jemals aufgenommen hat, doch Pattis Aufnahme hat einen noch besseren Flow. Ihre Stärke, laut und kräftig zu singen, spielt Patti LaBelle auf dem ganzen Album aus, wann immer sie sie einsetzen kann.

Trotzdem holt sie sich für zwei Lieder prominente Verstärkung: Gleich beim ersten Track auf „Classic Moments“ gibt sie den Aretha Franklin Hit „Ain’t No Way“ im Duett mit Mary J. Blige zum Besten. Nötig war das nicht, doch Mary J. Blige ist eine der wenigen Künstlerinnen, die mit Patt LaBelle auf Augenhöhe singen kann. Von dem Stück zeigen sich auch viele Kritiker, die von „Classic Moments“ als Gesamtwerk eher enttäuscht sind, begeistert.

Song zwei mit Starunterstützung ist „Your Song“, ein früher Erfolg von Elton John, den Patti hier mit John gemeinsam singt und genug Soul einhaucht, dass er auf diesem Album richtig ist. Das Lied mit dem Originalinterpreten gemeinsam neu aufzunehmen, ist eine gute Idee, die öfter praktiziert werden sollte. Besonders bei „He’s Out Of My Life“ wäre das reizvoll gewesen, denn Patti LaBelle hätte sich dann sicher etwas zurück gehalten. Zuerst nähert sie sich erstaunlich zart dem Michael Jackson-Klassiker (bei ihm „She’s Out Of My Life“), am Ende gehen leider wieder die Pferde mit ihr durch. Aus voller Kehle zu singen beherrscht Patti halt ausgesprochen gut, einen Song anders als im Original zu interpretieren ist für ein Album mit Coverversionen fast Pflicht, doch hier wäre etwas weniger wirklich mehr gewesen. Besonders bedauerlich ist das, weil sie es ja kann, wie sie am Anfang und Ende des Liedes zeigt.

Nichts auszusetzen ist an „Didn’t I (Blow Your Mind This Time)“, mit dem die Delfonics 1970 einen Nummer 3 Hit in den R&B Charts (und immerhin einen Nummer 10 Hit in den Pop Charts) hatten. Bedenkt man jedoch, wie oft dieses Stück schon gecovert wurde (Regina Belle, Jackie Jackson, Millie Jackson, Aretha Franklin…), bewegt sich Patti LaBelle wohl ein Stück weit zu nah am Original.

Ähnlich nah ist sie mit „I Keep Forgetting“ auch dran an „I Keep Forgettin’ (Every Time You’re Near)“ von Michael McDonald & Sister Maureen, einem Stück, dass durch den Rapper Warren G zu neuer Aufmerksamkeit kam, indem er es 1994 für Regulate als Sample nutzte.

Immerhin nett anzuhören ist „Love Ballad“, bei dem sie zwar einen ganz anderen Eindruck vermittelt als L. T. D. damals, aber klar hinter das Original zurückfällt, das nicht nur angenehm warm und flauschig wirkt, sondern auch beim Hören mehr Interessantes zu bieten hat. Für Fans des Songs mein Tipp: K-Ci & JoJo haben auf ihrem 97er „Love Always“ eine sehr empfehlenswerte Aufnahme von „Love Ballad“. Jeffrey Osborne dagegen („That’s For Sure“-Album aus 2000) gibt sich auch alle Mühe, überzeugt Anfang allerdings nicht so – dafür entwickelt er die Stimmung sehr überzeugend in rund siebeneinhalb Minuten. Aus diesem Lied ist einfach schon so viel mehr gemacht worden, dass Patti LaBelle im Vergleich nur deshalb nicht untergeht, weil sie stimm-handwerklich so gut ist.

Besser – auch weil ruhig genug – gefällt mir „I Can’t Make You Love Me“, das Bonnie Raitt 1991 einen 18. Platz in den US- und einen 50. Platz in den UK-Charts einbrachte. Empfehlenswert in diesem Zusammenhang: die 1996er Interpretation von Kevin Mahogany. Manchmal ist es auch von Vorteil, mit nicht ganz so zarter Stimme ein zartes Original zu interpretieren. Bei „I Write A Song For You“ macht sie auch „I’ll Write A Song For You“ etwas erfrischend Neues.

Einen der größten Hits von Deniece Williams, “Silly”, verhilft Patti LaBelle zu echtem Glanz, auch wenn dies in erster Linie an der guten Umsetzung, nicht etwa an neuen Ideen liegt. Bei „Stand By You“ bringt sie „I’ll Stand By You“ von der britischen Rockband The Pretenders von Pop-Rock auf Pop-Soul, was insofern faszinierend ist, als die Veränderungen gar nicht so groß sind, wie man vor dem unmittelbaren Vergleich annehmen mag.

Eines der besten Stück ist „You Gonna Make Me Love Somebody Else“, das durch die geniale Bass Line überzeugt, auf der Patti LaBelle genau den passenden Flow findet. Da kann das 1979er Original der Jones Girls gerade noch dagegenhalten. Für alle Rap-Interessierten: Bei „Fuck Somebody Else“ glänzt Foxy Brown auf dem „The Firm“-Album mit einem Remake, bei dem ganz andere Schwerpunkte gesetzt werden.

Noch ein Ende schneller und mit mehr Groove präsentiert Patti LaBelle „Land Of The Living“, den großen Hit von Kritine W (Weitz) aus 1997, wobei sie hier allerdings kräftig die Bremse angezogen hat im Vergleich zum Original. Aus künstlerischer Sicht wäre das nicht nötig gewesen, allerdings hätte der Song sonst nicht mehr zum Rest von „Classic Moments“ gepasst.

Wenn es etwas an diesem Album zu kritisieren gibt, dann nur, dass Patti LaBelle es eigentlich noch besser hätte machen können. Richtig schwache Tracks finden sich hier nicht.

Künstler: Patti LaBelle | Album: Classic Moments | Label: Def Jam (Universal) | VÖ: 28. Juni 2005

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Oliver Springer gehört neben Jörg Wachsmuth zu den Gründern von rap2soul. Er lernte Hörfunk ab 1994 bei JAM FM und moderierte dort fast 12 Jahre. Später war der ausgebildete PR-Berater er als Pro-Blogger tätig. Gemeinsam mit Wachsmuth entwickelte Springer den Digitalradiosender PELI ONE - Dein neues Urban Music Radio, bei dem er seit 2018 den Nachmittag in der Drive Time moderiert.