Liv Warfield – Embrace Me

Ob Künstler, die in erster Linie Live-Musik machen, bessere Alben aufnehmen, möchte ich gar nicht entscheiden. Sie machen andere Alben, das beweißt Liv Warfield mit ihrem ersten Longplayer „Embrace Me“.

Die in Portland, Oregon lebende Olivia Warfield präsentiert eine frische, mutige Mischung, die weit, weit ab der üblichen Black Music CDs hübscher junger Sängerinnen liegt. R&B, Jazz, Electric Rock, Blues…“Embrace Me“ geht über enge Genregrenzen hinaus und das mit einem sehr organischem Sound. Nichts gegen synthetische Instrumentierung und gerade anspruchsvollen Künstlern bleibt oft gar nichts anderes übrig, als an der Band zu sparen.

Wenn eine Künstlerin aus diesen Mustern ausbricht, ohne sich in experimentellen Sounds und all zu komplexer, künstlerischer Selbstreflexion zu verirren, ist das ungemein erfrischend! Ihr Sound entzieht sich einer Einordnung in Schubladen, Vergleiche mit anderen Künstlern à la „klingt wie“ entfallen ebenso – zumindest der Versuch, ihr Album als Ganzes zu vergleichen.

Ein wenig erinnert Liv Warfield stimmlich an Sade – Vergleiche mit Erykah Badu hingegen, wie sie manchmal zu lesen sind, überzeugen mich nicht. Künstlerisch gesehen gibt sich Liv Warfield konservativer, ihr Sound dagegen ist bei näherer Betrachtung viel gewagter weil letztlich weniger kommerziell und rauer, ursprünglicher. Eine Frage der Perspektive!

Unaufgeregt, relaxt, souverän, geradeheraus bringt Liv Warfield uns ein Album ohne Bluff und Übertreibung – einfach ehrlichen Sound für Black Music Freunde, die von überproduzierten Alben genug haben und für die Minimalismus nicht die Alternative ist. „Embrace Me“ ist nicht überladen, doch prall gefüllt mit Ideen und Klängen. Wollen wir doch noch einen Vergleich wagen – diesmal nicht mit Blick auf ihre Stimme – erinnert ihr Stil an Maxwell, der die Kunst beherrscht, komplexe Songs mit hypnotischem Flow und bestechend einfachem Zugang zu konstruieren.

Trotz einer gewissen Schnittmenge mit Neo Soul ist „Embrace Me“ ein Album, für das die Künstlerin einen ganz anderen Weg beschritten hat als dessen typische Vertreter: Statt inszenierter, wohl kalkulierter Natürlichkeit wirkt die Musik auf „Embrace Me“ naturbelassen.

Der nahe liegende Gedanke, auch einen echten Live-Track zu verwenden, ist nicht schlecht, aber hier schlecht umgesetzt. „Brotha Man“ in der Live-Version beginnt überzeugend mit einem unaufgesetzten Talk zum Publikum, fällt durch seinen radikal-lauten und letztlich unmelodiösen Klang ungünstig im Mittelteil aus dem Rahmen – die sanfteren Passagen überzeugen wiederum.

Zum Glück übertreibt sie es nur bei einem und zwar dem letzten der elf Songs wenngleich „Work For Me“ zum Ende hin für meinen Geschmack ein wenig zu wild wird – halb so schlimm! Sanfte und kräftige Lieder sind gut über das Album verteilt, die Mischung stimmt.

FAZIT: „Embrace Me“ von Liv Warfield beinhaltet alltagstauglichen Soul, der herrlich ungeschliffen und frei von Ballast ist. Kein überhöhter Anspruch bei den Texten, kein omnipräsentes Künstlerego auf einem Trip zwischen Selbsterfahrung und Musiktherapie, keine Übertreibungen, dennoch zuweilen deftig, würzig, clever. Um einen Begriff zu erfinden (Ich habe ihn jedenfalls noch nicht gehört.) etikettiere ich dieses Album mal als „simplify soul“.

Künstler: Liv Warfield | Album: Embrace Me | Label: B&M Records | VÖ: 15. September 2006

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Oliver Springer gehört neben Jörg Wachsmuth zu den Gründern von rap2soul. Er lernte Hörfunk ab 1994 bei JAM FM und moderierte dort fast 12 Jahre. Später war der ausgebildete PR-Berater er als Pro-Blogger tätig. Gemeinsam mit Wachsmuth entwickelte Springer den Digitalradiosender PELI ONE - Dein neues Urban Music Radio, bei dem er seit 2018 den Nachmittag in der Drive Time moderiert.