Norwood – Just Norwood

Bei etwas weniger Bürokratie würde Norwood heute vielleicht statt in Kalifornien in Deutschland leben, denn als er dort arbeitete, gefiel es ihm so gut, dass einen eigenen Club eröffnete („Club Collage“). Obwohl der gut lief, musste er ihn aufgeben, weil er Probleme mit seinem Visum hatte und niemanden fand, der für ihn die Ausschanklizenz beantragen wollte.

In seiner langen Zeit als Musiker ist er schon viel in der Welt herumgekommen, doch musikalisch zeigt er sich von einer sehr konservativen Seite. Neben Songs wie dem von Lionel Richie geschriebenen und den Commodores aufgenommen „Jesus Is Love“, die echte Klassiker sind, singt Norwood auf „Just Norwood“ neuere Lieder, die er als seine neuen Klassiker bezeichnet.

Für sich genommen klingt das arg weit aus dem Fenster gelehnt. Hat man das Album gehört, merkt man, dass die Aussage treffend ist, weil der Künstler einen klassischen Soul-Stil pflegt. Bei „Sexual Amnesia“ (im Steppin’-Stil) hat man zeitweise das Gefühl, als würde Luther Vandross die Nummer singen.

Dessen Stimme hat er zwar nicht und es hätte dem Album insgesamt gut getan, wenn sich Norwood hinsichtlich seiner Grenzen weniger ehrgeizig gezeigt hätte. Dennoch überzeugt er unter dem Strich bei den meisten Stücken. In „Just Norwood“ stecken immerhin fünf Jahre Vorbereitung und Arbeit.

Aufgewachsen ist Norwood Berry Young in einer Familie, in der viel Musik von echten Könnern wie Ella Fitzgerald, Frank Sinatra und Nancy Wilson gehört wurde und wo man seinem Talent nicht im Weg stand.

Im Alter von sechs Jahren begann er mit dem Singen, im Kirchenchor bekam er ein erstes Training und sang nach und nach immer öfter bei verschiedenen Anlässen. Als er bei einem Wettbewerb eines Radiosenders siegreich war, durfte er daraufhin bei der „City Lights“-Show in Philadelphia auftreten.

Mit 16 besuchte Norwood zunächst eine katholische Highschool, doch als ihm von Philly World Records sein erster Plattenvertrag angeboten wurde, musste er erst einmal dafür sorgen, überhaupt die Zeit dafür aufbringen zu können. Zum Glück bot eine öffentliche Schule für besonders gute Schüler ein Programm an, bei dem er morgens in der Schule seine Anwesenheit auf das Nötigste beschränken konnte, um anschließend im jeweiligen Spezialgebiet zu trainieren bzw. zu arbeiten. Jeden Tag mit dem Zug zwischen New Jersey und Philadelphia zu pendeln, um Lernen und Arbeiten miteinander vereinbaren zu können, war für ihn als 16jährigen nicht so leicht.

Mit so vielen guten Künstlern wie Donny McClurkin, Vanessa Bell Armstrong und B. B. Winans zu arbeiten, die auch nicht den Trends hinterherlaufen, sondern Musik mit Bestand für lange Zeit machen, wird einen Teil dazu beigetragen haben, dass Norwood einen so „klassischen Stil“ entwickelt hat. Norwood mag auch aktuelle Musikstile, doch an die „echte“ Musik käme nichts heran.

Talent sollte vorhanden sein, doch etwas Glück gehört im Musikgeschäft einfach dazu, um Erfolg zu haben: Bald nachdem er seinen Club in Deutschland aufgeben musste und nach New York umzog, kam EMI Records auf ihn zu mit dem Angebot, für die Jazzgruppe Pieces of a Dream kurzfristig als Leadsänger zu arbeiten, weil innerhalb von neun Tagen das Album fertig werden musste. Ein Glücksfall und die perfekte Gelegenheit, sich gleich noch einen Solovertrag zu sichern!

So etwas lässt sich nicht planen. Ohne Glück geht es nicht! Für Menschen, die im Leben weniger Glück haben, setzt sich Norwood mit einer eigenen Organisation ein, die auch im Web zu finden ist: www.wefeedhispeople.org. Laut Informationen von „Feed His People“ haben rund 35 Millionen Menschen in den USA nicht genug zu essen, um satt zu werden. Gleichzeitig werfen Restaurants und Cateringdienste jeden Tag große Mengen einwandfreies Essen, das sie nicht mehr brauchen, in den Müll. Genau da setzt die Organisation an und organisiert die Verteilung an Bedürftige. Mit dem letzten Track des Albums, „Feed His People“ promoted Norwood also sein Hilfsprogramm. Eine gute Idee!

Auch wenn „Just Norwood“ kein Gospelalbum ist, gibt es viele Gospelelemente in seiner Musik. Die stark Gospel-orientierten Stücke sind gut, reichen jedoch nicht an klassische Love Songs wie „Queen Of My Life“ heran.

Künstler: Norwood | Album: Just Norwood | Label: Norbet Records | VÖ:

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Oliver Springer gehört neben Jörg Wachsmuth zu den Gründern von rap2soul. Er lernte Hörfunk ab 1994 bei JAM FM und moderierte dort fast 12 Jahre. Später war der ausgebildete PR-Berater er als Pro-Blogger tätig. Gemeinsam mit Wachsmuth entwickelte Springer den Digitalradiosender PELI ONE - Dein neues Urban Music Radio, bei dem er seit 2018 den Nachmittag in der Drive Time moderiert.