Mary Mary – The Sound

Mit ihrem fünften Studioalbum „The Sound“ begeistern Mary Mary all jene, die nach ihrem 2001er Debüt „Thankful“ auf einen ebenbürtigen Nachfolger gehofft hatten, doch bislang noch nicht beliefert wurden.

Das amerikanische Gospelduo Mary Mary, bestehend aus Erica Monique Atkins und Trecina „Tina“ Evette Atkins erschuf gemeinsam mit dem Produzenten Warryn Campbell (verheiratet mit Erica) einen eigenen Black Music-Stil zwischen Gospel und massentauglichem R&B und Dance, zumindest liest man entsprechendes Lob immer wieder.

Mary Mary – The Sound (Cover)
Mary Mary – The Sound (Cover)

Gelungen war Mary Mary auf jeden Fall, Gospel aus der (in den USA zugegebenermaßen großen) Nische zu holen und junge Black Music Fans zu begeistern, die sonst keinen Gospel hören. Ihr neues Album „The Sound“ hat (endlich) wieder alles, um an „Thankful“ anzuknüpfen, nicht zuletzt kommerziell und hinsichtlich des Charterfolgs.

In den amerikanischen Black Music Album Charts erreichte „The Sound“ Position 2, in den allgemeinen Album Charts den siebten Platz; in den Gospel Charts sowie den Charts mit christlicher Musik gelangte „The Sound“ auf den Spitzenplatz. Während Charterfolg wenig über die Qualität von Musik aussagt, verdeutlichen die guten Platzierungen schon, dass es Mary Mary mit „The Sound“ gelungen ist, ihr fünftes Album am Geschmack zahlreicher R&B-Fans auszurichten.

Das als erste Single veröffentliche „Get Up“ könnte ebenso gut von einem Star wie Beyoncé, Ciara, Rihanna, Mary J. Blige oder Ashanti stammen, was Klang und Produktion angeht. In diesem Fall wäre „Get Up“ mit Sicherheit in die Top 10 gekommen und nicht bei Platz 106 in den Hot 100 hängengeblieben. Dabei sind Erica und Tina Atkins ohne Frage so gut wie die erste Liga der R&B-Sängerinnen, nur fehlt ihnen sozusagen die Marke, das Image, die Fanbase und Promotion für eine Topposition in den Charts. Umso beachtlicher ist die gute Performance des Albums in den US-Charts.

Noch stärker nach R&B Mainstream klingt „Superfriend“, in dem sie von Rapper David Banner begleitet werden. Es ist kein Wunder, dass „Superfriend“ nicht der Lieblingssong der Kritiker ist, doch diese Art von Tracks bringt „The Sound“ auf das Radar des normalen Black Music-Publikums. Achtet man hier nicht auf den Text, kommt man so schnell nicht darauf, dass Mary Mary ein Gospel Act ist.

Beim nächsten Track, „God In Me“, hilft eventuell der Titel, an Gospel zu denken, doch er ist der kommerziellste vom ganzen Album und an sich wie gemacht für Hot Rotation im Radio. Der gelungene Einsatz des Vocoders für diesen Track ist ein Statement für sich, was das Einreißen von Genregrenzen angeht. Und dafür, wie aktuelle Trends – Kanye West setzt auf die Stimmverzerrung durchgängig für sein ganzes Album „808s & Heartbreaks“ – am Modern Gospel nicht vorbeigehen müssen. Gastsängerin auf „God In Me“ ist Kierra „Kiki“ Sheard, Tochter der berühmten Gospelsängerin Karen Clark Sheard (von der Gruppe The Clark Sisters).

Während man sich bei „Superfriend“ und „God In Me“ fragen könnte, ob Gospeltexte im akustischen Gewand von Mainstream-R&B sinnvoll sind – persönlich finde ich: ja! – schlägt der Dancefloor-Kracher „Boom“ die Brücke eleganter und anspruchsvoller, ohne wesentlich weniger Crossover-Potenzial zu bieten.

Mit „I’m Running“ und dem Titeltrack „The Sound“ treffen Mary Mary den Geschmack von Black Music Fans, für die Sängerinnen wie Amy Winehouse und Duffy Interesse an Retro Soul geweckt haben – und auf Black Music-Hörer, welche die goldene Ära des Soul noch selbst erlebt haben.

„Forgiven Me“ dagegen ist bei aller Schönheit des Songs so eingängig, dass es fast schon schmerzt und man unwillkürlich sein Feuerzeug aus der Tasche holen möchte, um es beim Mitschunkeln zur Musik zu schwenken.

Elf Tracks plus Intro sind heutzutage zwar recht wenig für einen Longplayer, dennoch ist die Vielfalt verschiedener Klänge einer der größten Pluspunkte, die Mary Mary für „The Sound“ verbuchen dürfen. Dem guten Musikfluss steht dies nicht entgegen: „The Sound“ ist darauf angelegt, vom ersten bis zum letzten Track gehört zu werden, soll es doch wie eine Radiosendung auf dem erfundenen Sender Mindblock Radio wirken. Dazu werden überzeugend klingende Stationskennungen als verbindende Elemente zu Gehör gebracht – Pausen gibt es nicht.

FAZIT: Urban Gospel hat erhebliches Marktpotenzial, doch die Musikindustrie schöpft es nicht aus. Dieser Gedanke drängt sich bei der Betrachtung von „The Sound“ auf. Das neue Mary Mary-Album klingt fantastisch professionell. Jeder einzelne Song auf der Tracklist ist qualitativ hochwertig, sodass die verhältnismäßig geringe Anzahl an Liedern nicht einmal enttäuscht. „The Sound“ ist eines der besten Black Music-Alben 2008.

Künstler: Mary Mary | Album: The Sound | Label:Columbia / Sony | VÖ: 20. Oktober 2008 | Album des Monats: Dezember 2008

Über Oliver Springer 339 Artikel
Oliver Springer gehört neben Jörg Wachsmuth zu den Gründern von rap2soul. Er lernte Hörfunk ab 1994 bei JAM FM und moderierte dort fast 12 Jahre. Später war der ausgebildete PR-Berater er als Pro-Blogger tätig. Gemeinsam mit Wachsmuth entwickelte Springer den Digitalradiosender PELI ONE - Dein neues Urban Music Radio, bei dem er seit 2018 den Nachmittag in der Drive Time moderiert.

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