Calvin Richardson – 2:35 PM

Ich weiß nicht, wie oft ich schon gehört habe, dass R&B und Soul nie wieder so eine Zeit erleben würden wie in den 60er und 70er Jahren. Vielleicht stimmt es sogar, aber gerade in den letzten Jahren brauchten wir uns über einen Mangel an qualitativ hochwertiger Musik aus diesen Bereichen nicht mehr zu beklagen.

Calvin Richardson ist einer der weniger bekannten „Beweise“ dafür, dass moderner Black Music Sound das, was die Musik aus der ach so goldenen Zeit zu etwas Besonderem machte, immer noch haben kann. Mit „2:35 PM“ konnte er im Herbst 2003 endlich – nach Problemen, die zum Wechsel von Universal zu Hollywood Records führten – mit anderthalbjähriger Verspätung sein zweites Soloalbum veröffentlichen.

Wer ihn noch nicht kennt, aber etwa den Sound von Angie Stone und Raphael Saadiq zu schätzen weiß, wird sich bestimmt auch mit Calvin Richardson anfreunden können, denn sein Sound liegt nicht nur irgendwo dazwischen, sondern mit diesen beiden Genies hat der Mann aus North Carolina bereits gearbeitet. Zum „Instant Vintage“ von 2002 steuerte Calvin Richardson zwei Tracks bei, eine „Investition“, die er nun mit Zinsen für „2:35 PM“ zurückgezahlt bekam in Form von drei Songs von Raphael Saadiq. Übrigens gibt es mit „You Got Me High“ bloß ein einziges Lied mit Gästen, in diesem Fall haben Slum Village die Ehre.

Manche Nummern auf „2:35 PM“ sind eher radio-orientiert, was (den richten Sender mal vorausgesetzt!) keine Qualitätsstufe, sondern eher eine Stilfrage und dem Umstand geschuldet ist, dass Radio meist ein sogenanntes Begleitmedium ist. Die anderen Songs kommen mit einem sehr schönen Old School Flavor rüber, so dass Calvin Richardson den Vergleich mit großen Stars von früher keinen Moment fürchten müsste.

Richtig, das ist in meiner Betrachtung schon der zweite Vergleich, hat der Mann denn keinen eigenen Stil? So würde ich es bei einem so schönen Album niemals sagen, aber unverwechselbar ist er auch nicht gerade, sondern eher einer der besten Vertreter seines Genres. Andererseits zeigt der Vergleich mit dem nach wie vor empfehlenswerten „Country Boy“ von 1999, dass der Künstler seinen Stil hörbar weiterentwickelt hat.

Der Titel dieses ausgezeichneten Longplayers ist übrigens gar nicht so geheimnisvoll, wie er sich anhören mag: „2:35 PM“ war die Uhrzeit, zu der Calvin Richardson’s Sohn auf die Welt kam.

Künstler: Calvin Richardson | Album: 2:35 PM | Label: Geffen / Universal | VÖ: 15. Juni 2005

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Oliver Springer gehört neben Jörg Wachsmuth zu den Gründern von rap2soul. Er lernte Hörfunk ab 1994 bei JAM FM und moderierte dort fast 12 Jahre. Später war der ausgebildete PR-Berater er als Pro-Blogger tätig. Gemeinsam mit Wachsmuth entwickelte Springer den Digitalradiosender PELI ONE - Dein neues Urban Music Radio, bei dem er seit 2018 den Nachmittag in der Drive Time moderiert.