Chris Brown – Chris Brown

Dieser junge Mann hat alles, was man braucht, um die ganz große Karriere im Musikgeschäft zu machen. Und Geschäft sage ich ganz bewusst, denn „Chris Brown“ (sein Album heißt wie er) ist nicht schon so erfolgreich, weil er so talentiert ist (Das ist er aber auch!), sondern weil er das richtige Team aus Top-Produzenten, Marketing- und PR-Profis und den ganzen anderen Leuten, die ein Major Label aufbieten kann, hat.

Für seinen Sound bedeutet das: kommerziell bis zum Anschlag. Damit wir uns richtig verstehen, dass ist keine Kritik, sondern in seinem Fall eher Bewunderung dafür, wie rund die ganze Maschinerie läuft und am Ende die Musik selbst trotzdem ausgezeichnet klingt. Außerdem möchte ich den Kritikern in diesem Punkt auch gleich entgegen halten: Für die Charts zu produzieren ist okay, denn das bedeutet, Musik zu schaffen, die sehr vielen Menschen gefällt.

Bei Chris Brown kommt hinzu, dass er als gut aussehender 16jähriger, der noch dazu klasse Tanzen kann, leicht die Teenie-Herzen erobern kann. Bei den Songtexten sollte deshalb niemand eine Überraschung erwarten, es singt eben von typischen Teenager-Problemen und Abenteuern. Das passt für die vielen jungen CD-Käufer, das passt aber auch für erwachsene R&B-Fans, denn ein Stückchen unbeschwerte Jugend und Lebensfreude zu schnuppern, tut gut.

Was sich bitte mal alle sparen könnten: Sprüche wie „The Future Of R&B“, „The Young New R&B Prince“ usw. In den Lyrics nervt das. Außerdem ist Chris Brown doch schon die Gegenwart und muss nicht mehr drauf hoffen, irgendwann vielleicht von irgendwem entdeckt zu werden und seine Chance zu bekommen. Ich leg noch einen drauf: Jeden Monat wird ein Newcomer zum Prinzen oder zur Prinzessin von irgendeinem Musikstil erklärt.

Das Musikbusiness ist aber keine Monarchie, sondern Verkaufs-Charts (und damit Wohl und Wehe des jeweiligen Künstlers) werden demokratisch an den Ladenkassen entschieden. Ich wünsche es ihm nicht, aber vielleicht ist Chris Brown schneller wieder verschwunden als er Tappahannock buchstabieren kann, eine Abwahl der momentanen Helden ist jederzeit möglich.

Ach ja, Tappahannock, von dort stammt Chris Brown. Wichtig ist das nur, weil er damit (ich sag’s mal positiv) unbelastet ist im Gegensatz zu Musikern, die aus den großen Musik-Städten wie New York, Atlanta, Minneapolis, Philadelphia, Chicago etc. stammen und er auch sonst keine Schablone angelegt bekommt für seinen Geburtsort, denn Tappahannock (in Virginia, kaum mehr als 2000 Einwohner) ist nur durch eine einzige Sache berühmt: Chris Brown. (Ok, in „Fahrenheit 9/11“ von Michael Moore wurden ein paar Einwohner hinsichtlich möglicher Terrorziele interviewt – die es dort natürlich nicht gibt.)

Wenn Juelz Santana „do it like the Ying Yang Twins – start whispering“ reimt und “wait til‘ you see my….wait til‘ you see my…” hinterher flüstert, passt das zur Strategie, möglichst von allem, was derzeit rund um R&B angesagt ist, dabei zu haben. Mit den Underdogs, Scott Storch, Dré & Vidal und Jermaine Dupri stehen hinter vielen Tracks Top-Leute, die auch für unzählige andere Künstler die Hits bauen. Das zusammen mit der recht glatt polierten Produktion bringt keine wirklich neuen Eindrücke – und es gehört (jetzt einfach mal selbst das kleine Experiment starten!) leider erschreckend wenig Fantasie dazu, sich diese Songs von Mario oder Usher gesungen vorzustellen. Für ein Mainstream-Album wie dieses ist „Chris Brown“ dennoch mehr als ausreichend abwechslungsreich.

Das Problem mit den Top-Produzenten ist ja auch nicht, dass denen nix mehr einfallen würde, sondern dass sie halt ihren Stil haben und die Plattenfirmen sie für zu viele Künstler einsetzen, die sie in die Charts bringen möchten. Auf Nummer sicher. Seine helle, klare Stimme weiß Chris Brown zielsicher einzusetzen, ein nachsichtiges „…ist ja erst 16 Jahre jung“, wie es mehr oder weniger deutlich in zahlreichen Plattenkritiken zu lesen ist, hat der „Run It!“-Sänger weder nötig noch verdient. In diesem Sinne: Ein kleiner Schritt für die Musikwelt, ein großer Schritt für einen Künstler.

Künstler: Chris Brown | Album: Chris Brown | Label: Zomba | VÖ: 17. Februar 2006

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Oliver Springer gehört neben Jörg Wachsmuth zu den Gründern von rap2soul. Er lernte Hörfunk ab 1994 bei JAM FM und moderierte dort fast 12 Jahre. Später war der ausgebildete PR-Berater er als Pro-Blogger tätig. Gemeinsam mit Wachsmuth entwickelte Springer den Digitalradiosender PELI ONE - Dein neues Urban Music Radio, bei dem er seit 2018 den Nachmittag in der Drive Time moderiert.

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