Sabrina Setlur – Show Must Go On – S muss weitergehen! (Biografie)

Sabrina Setlur
Sabrina Setlur

Show Must Go On – S muss weitergehen! Deutschlands erfolgreichste Rapperin Sabrina Setlur veröffentlicht am 3. November 2003 ihr lang erwartetes viertes Studioalbum „SABS“.

Die Frankfurter Musikerin – um die es in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit nie wirklich still geworden ist – bietet nun wieder über ihre Musik einen Einblick in die bewegten Zeiten, die hinter ihr liegen. Die Refrainzeile ihrer ersten Single “Ich bin so, dass die Bild-Zeitung über mich schreiben will“ spricht aus, was viele Menschen offenbar zu denken scheinen: Warum ist Sabrina ständig in den Medien? Macht sie eigentlich noch Musik? Kann man noch Musik machen, wenn Fotografen zu Hause im Vorgarten lauern? Sabrina kann und tut das in gewohnter, jedoch stilistisch konsequent weiterentwickelter Art. Ihr in Zusammenarbeit mit ihren langjährigen Produzentenpartnern Moses Pelham und Martin Haas in einem Zeitraum von über zwei Jahren eingespieltes Album SABS erscheint am 3. November 2003.

SABS klingt innerlich viel stärker und musikalisch sowohl pumpender als auch schneller als der Vorgänger „Aus der Sicht und mit den Worten von …….“. So ist das, was man zunächst zu hören bekommt, auch „wütender Scheiss von der Alten die so drall ist wie ihr Arsch, ihre Möpse, ihre Lyrics und das alles“. Mit dieser Mischung aus Wut, Ironie und entwaffnendem Charme schafft Sabrina nicht nur einen Befreiungsschlag aus den Vorurteilen, die sich zwangsläufig in den Köpfen der Menschen festgesetzt haben müssen, sondern lenkt gleichzeitig den Fokus auf das, weswegen sie eigentlich in die Medien gehört und zuallererst gelangt ist: ihre Musik.

Auf “Setlurflow“ macht Setlur dann auch endgültig klar, dass sie sowohl technisch als auch von der inneren Einstellung her am Mikrofon erstklassig ist: „Ey Yo der Shit hier is’ verboten fly geh und hol die Polizei – so viel Style dein Homie schreit ´Oh Me Oh My wie flowt die Chaie´“. Aber Musik wird hier nicht zum Selbstzweck, sie transportiert die Gefühlswelt der Künstlerin, die zahlreiche Facetten ihrer schillernden Persönlichkeit auf den Tracks erscheinen lässt. So macht SABS auch vor heiklen, in der Öffentlichkeit diskutierten privaten Dingen nicht Halt, sondern behandelt diese mit einer Deutlichkeit und Ironie, die einen über das Selbstbewusstsein der Rapperin staunen lässt. Sabrina versteckt sich nicht, sie geht nach vorne: musikalisch, inhaltlich, mit ihrer Performance.

Als Sabrina Setlur bereits 1994 auf der Deutschlandtour des “Rödelheim Hartreim Projekts“ mit ihrem damaligen Projekt “Schwester S“ zum ersten Mal auf der Bühne stand, war klar, dass dieses Mädchen nicht nur kurzzeitig die Bühnen des Landes betreten würde. Der riesige Erfolg des Schwester-S-Albums – der von ihren beiden nächsten Alben, die bereits unter ihrem Namen Sabrina Setlur erschienen, noch weit getoppt wurde – katapultierte Sabrina direkt an die Spitze der deutschsprachigen Musiklandschaft, wofür sie in den kommenden Jahren mit mehreren Echos und Cometen ausgezeichnet wurde. So erreichte die Single “Du liebst mich nicht“ aus dem Album “Die neue S-Klasse“ Platz 1 der Media-Control-Charts. Beide Tonträger sowie das Folgealbum “Aus der Sicht und mit den Worten von ….“ wurden mit Gold ausgezeichnet.

Sabrina Setlur, die bereits im November 1997 auf ihrer Single “Freisein“ den bis dahin in ihrem Backgroundchor aktiven Xavier Naidoo zum ersten Mal einer breiten Öffentlichkeit vorstellte, hat sich parallel zur Fertigstellung ihres Albums dazu entschlossen, als Jurymitglied einer großen TV-Casting-Show aktiv zu werden. Sabrina dazu: “Natürlich sind die letzten Staffeln von ‚Popstars’ auch an mir nicht spurlos vorübergegangen. Und natürlich habe ich, wie sicher andere Zuschauer auch, des Öfteren das Gefühl gehabt, dass gerade die von mir favorisierten Künstler immer mal zu kurz kamen. So konnte ich schlichtweg – gerade da ich in der letzten Zeit im Zuge der Arbeit an meinem Album sehr mit mir selbst beschäftigt war – der Chance, mich hier einzubringen und so Talent, welches ich als solches erkenne, zu protegieren, einfach nicht widerstehen. Geschrei bin ich ja ohnehin gewohnt;o).“

Die angesprochene Selbstreflexion hat sich gelohnt. Deren Ergebnis kann man in Sabrinas elaborierten Raps erfahren. Die Bandbreite der Themen, die Setlur auf SABS beleuchtet, erstreckt sich vom eigenen kleinen Kosmos bis hin zu einem Blick hinaus auf die großen Belange der Welt. Aber natürlich erklärt Sabs, der “meistverkaufte deutsche MC“, erst mal vor allem sich selbst. So werden in dem Titel “Die Auserwählte“, einem hypnotischen Track, der in einen Breakbeat mündet, viele Begebenheiten, die in den letzten Jahren in der Boulevardpresse ausgebreitet wurden, charmant und ironisch nebenbei abgehandelt. Dies geschieht jedoch so deutlich und treffend, dass sich der Hörer den interessanteren Dingen öffnen kann, die Setlur zu erzählen hat. Dinge, die größer sind, als Schlagzeilen es sein können, wenn sie den Raum bekommen, sich zu entfalten.

Als Hörer ihrer Musik kann man Sabs, der – wie sie es selbst ausdrückt – “nicht zu fassenden Tuss“, nah kommen und in ihre Gefühlswelt hinter dem Schein eintauchen. Und Sabrina sucht offensichtlich diesen Kontakt zu den Menschen, die ähnlich empfinden oder ihr Gefühl mitempfinden können. “Schickt all eure Liebe, wir brauchen Tonnen davon“. In dem “Liebe“ betitelten melancholisch schönen Track geht es eben auch nicht um die Liebe zwischen zwei Menschen, sondern um den Mangel daran im Allgemeinen und den Glauben, dass diese Liebe mehr Probleme lösen könnte, als Menschen im Moment wahrhaben wollen. “Ich fühl’ mich fast wie hinter Folie mit Klarsicht – verpackt, kalt und kann sehen wieso die Welt so am Arsch ist“, und weiter der Aufruf, nicht geizig mit dieser wichtigen Ressource umzugehen, denn “ohne sie verdursten Seelen“. Der von der GLASHAUS-Stimme Cassandra Steen zusammen mit dem 3p-Rookie Franziska zauberhaft gesungene Chorus ist ein Hilferuf, der alle angeht und einen auf eine ganz besondere Art ergreift.

Auf dem mit smoothen E-Piano-Klängen positiv upliftenden “Was immer du da tust“ rappt Sabrina drei lobende Verses für ihr Gegenüber, ein Flirt, der sich anfühlt, als wäre er mehr als das, um sich in “Allein“ mit deutlichen Worten über treibenden Beats von einer Beziehung loszusagen: “Ich hoff’, dass du nie die Nerven hast noma deine Fresse zu zeigen, das is’ echt ’n gegessenes Ei. Mir geht’s viel besser allein.“ “An alle“ ist eine bouncende Clubgeschichte, die sich mit allem befasst, was dazugehört, tanzen, feiern, trinken und der offensiven Anbahnung von zwischenmenschlichen Kontakten. Die beiden Gastrapper auf diesem Titel, 3p-CEO Moses Pelham und Frankfurts Unconscious Rapper No. 1 ILLMAT! C, heizen diese Atmosphäre entsprechend auf, so dass man vor dem geistigen Auge den Champagner fließen und die Tangas nur so blitzen sieht. Dass im Gegensatz dazu auch das Leben von Sabrina Setlur wie ein jedes Leben massive Schattenseiten hat, wird in dem modernen Blues-Track “Feel so Bad“ deutlich, in dem sich Sabrina mit persönlichen Krisen und einer alles andere überschattenden, lähmenden Depression auseinander setzt: “Ich bin so müd’, dass ich nich’ pennen kann – könnt’ einfach nur noch flennen Mann – die kleinsten Dinge strengen an – wenn sie dich in ihren Fängen ham“. Hier muss der Schmerz so groß sein, dass auch die Musik der Sprechenden kein Trost zu sein scheint: “Ihr könnt den Beat ruhig wieder bringen, auch er verdeckt nicht die Qual.“

Ein in jeder Hinsicht herausragendes Stück des Albums ist “Mein Herz“: eine bittersüße Liebeserklärung an eine verflossene und gleichwohl nie endende Liebe. Hier realisiert man die menschliche und musikalische Reife der Künstlerin, welche die Vielschichtigkeit und Zerrissenheit der Empfindungen nicht nur offensichtlich erlebt, sondern auf eindrucksvolle Weise zu Papier und Gehör gebracht hat. Ein dicht gewobener Chorus aus Stimmsamples, Streichern und Synthsounds bietet Kontrast zu dem gesprochenen Wort der Verses und erzeugt die räumliche Tiefe für ebendiese Emotion. Neben solchen persönlichen, verletzlichen Stücken bietet SABS auch immer wieder Titel, in denen Sabrina ihre Superiorität zum Ausdruck bringt: “Keine macht S besser“ formuliert diesen Anspruch, den Sabrina über das gesamte Album mühelos zu halten scheint. Auf höchstem Niveau bewegt SABS sich dabei immer im Spannungsfeld zwischen Rückbesinnung und Neubeginn. Auf SABS hört man straighte, wütende Brechertracks, die trotz ihrer bedingungslosen Modernität eher an die Stimmung von “Die neue S-Klasse“ erinnern, ebenso wie den von Sabrina mit Unterstützung ihrer musikalischen Partner Pelham & Haas rigoros fortgeführten intimen, verletzlichen Stil, der “Aus der Sicht und mit den Worten von …….“ geprägt hat.

Sabrina Setlur ist mit SABS ein persönliches, vielschichtiges und mitreißendes Album gelungen, das ihre Geschichte als erfolgreichste und strahlendste deutsche Rapperin fortschreiben wird. So bilden die ersten Zeilen von “Ich bin so“ nicht nur eine Einleitung für den Track selbst, sondern für das gesamte Album und für Sabrinas neues musikalisches Auftreten:

“Euer Warten hat ein Ende, ich weiß ihr seid bereit. Klatscht in eure Hände, denn S ist wie S bleibt.“

Quelle: 3p