Heather Headley – In My Mind

Dieses Album deutet leider nur an, wozu Heather Headley fähig wäre. Nach „This Is Who I Am“ im Jahr 2002 hätte es 2006 mit „In My Mind“ noch mehr Qualität geben können. Enttäuschend ist das aber nur mit Blick auf das Talent der Künstlerin. Für sich betrachtet hat dieses Album mehr zu bieten als viele vergleichbare Longplayer.

Ohne Frage zuerst zu nennen ist dabei, dass Heather Headley besser singen kann als die meisten ihrer Konkurrentinnen. Das zeigte sich auch schon 1998 als sie einen Tony Award für ihre Rolle in Disney’s Aida am Broadway erhielt. Damit drängt sich ein Vergleich mit Toni Braxton und Michelle Williams auf, die später jeweils für eine Zeit in dem berühmten Musical die Hauptrolle innehatten. Stimmlich kann Heather Headley es ohne Frage mit ihren bisher weit berühmteren Kolleginnen aufnehmen und auch ihr Stil weißt ein paar Ähnlichkeiten auf.

Die beiden eben genannten Künstlerinnen stehen auch abseits des modernen, knackigen Club R&B Sound, was für die Charts einen dicken Nachteil bedeutet, nicht aber für die Kunst. Heather Headley hat es dennoch geschafft, diesmal groß raus zu kommen: von 0 auf 5 in den amerikanischen Album Charts und Platz 1 in den R&B Charts!

Die Künstlerin könnte noch weit mehr Abwechslung auf diesem Longplayer zeigen, doch den Großteil mit Slow Jams zu füllen, macht „In My Mind“ zu einem Album, das man grundsätzlich entspannt durchhören kann. Vielleicht hätte sie dies sogar noch konsequenter betreiben sollen. Auf der ruhigen Schiene erfreut Heather Headley mit einem Stilmix, den sie in jeder Sekunde mit Exzellenz ausführt.

So hört man bei „Change“ sozusagen die Pastorentochter heraus, die im Alter von vier Jahren schon Klavierspielen gelernt hat. Sollte sie einmal ein Gospelalbum ankündigen, würde mich das nicht wundern, sie würde die Aufgabe sicher bravourös bewältigen.

Als Ganzes ist „In My Mind“ ein Longplayer für den anspruchsvollen R&B Fan, doch der eine oder andere Track eignet sich für ein breiteres Publikum, ganz besonders beim clubtauglichen „How Many Ways“ bei dem sie von Vybz Kartel unterstützt wird.

Dieses Album hört man sich so schnell nicht satt, weil es eine Menge zu entdecken gibt, doch ist es zum ständigen Anhören zu schwer, es ist alles andere als leicht verdaulich. Nicht selbstverständlich: Die Lieder lassen sich schon nach kurzer Zeit gut auseinander halten, weil hier nicht eine Idee wieder und wieder verwertet wird und Heather Headley — wenngleich nur zurückhaltend – zeigt, dass sie verschiedene Stile beherrscht. So ist „Back When It Was“ im Doo Wop-Stil der 50er produziert, Heather Headley singt manche Passagen daraus jedoch mit einem leicht näselnden Country-Einschlag. Fast unglaublich: Produziert wurde dieses Stück von Lil Jon!

Geboren in der Karibik (Trinidad und Tabago) kann sie auf zusätzliche musikalische Stile zurückgreifen, von denen sie gerne mehr Gebrauch machen dürfte. Wollte man ihre stilistische Mélange kritisieren, so könnte man sie als zu ausgewogen bezeichnen; tatsächlich wünsche ich mir an einigen Stellen auch „weniger Sirup“ und mehr Mut, von der Mitte der Straße abzuweichen. Dafür hält sie sich nicht mit Dramatik (und Leidenschaft) zurück, hier erinnert sie etwas an Kelly Price.

Mag man dies, hat man mit „In My Mind“ ein Album, das nicht aus der Mode kommen wird, weil es sich beim größten Teil der Songs schon keiner Mode unterwirft.

Künstler: Heather Headley | Album: In My Mind | Label: Rca Int. (Sony BMG) | VÖ: 10. März 2006

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Oliver Springer gehört neben Jörg Wachsmuth zu den Gründern von rap2soul. Er lernte Hörfunk ab 1994 bei JAM FM und moderierte dort fast 12 Jahre. Später war der ausgebildete PR-Berater er als Pro-Blogger tätig. Gemeinsam mit Wachsmuth entwickelte Springer den Digitalradiosender PELI ONE - Dein neues Urban Music Radio, bei dem er seit 2018 den Nachmittag in der Drive Time moderiert.