Al Green – Everything’s OK

KO oder OK? Bei „Everything’s OK“ von Al Green gehen die Meinungen verständlicherweise auseinander, denn was beim Soul-Comeback 2003 in Form der CD „I Can’t Stop“ noch angenehm überraschend war – das Anknüpfen an seinen 70er-Sound – kann dem Wiederholungstäter jetzt als Stillstand in seiner musikalischen Entwicklung ausgelegt werden.

Wie beim Vorgänger ist Willie Mitchel, Entdecker des Künstlers und dessen langjähriger Produzent, der Schöpfer des Al Green-Sounds, verantwortlich dafür, wie „Everythings’s OK“ klingt. Zumindest braucht niemand Al Green vorzuwerfen, sich an einen vermeintlichen Retro-Trend ranhängen zu wollen, um seine Karriere mit der Musik von vorgestern wiederauferstehen zu lassen. Dafür macht Al Green einfach zu konsequent nur dort weiter, wo er damals zugunsten seiner eigenen Kirche und des Gospels beim Soul aufgehört hatte.

Al Green – Everything’s OK (Cover)
Al Green – Everything’s OK (Cover)

Die größte Änderung gibt es dann auch auf dem Cover zu bestaunen: Er firmiert nun als The Reverend Al Green, was besser für seine Gospelalben gepasst hätte und sicher so manch ahnungslosen CD-Käufer in die Irre führt. Als Künstler muss er sich derlei Logik andererseits nicht unterwerfen, und auch sonst ist Al Green ein Pragmatiker, der zwar sein Leben mit der Hinwendung zum Religiösen stark verändert hat, aber andererseits sein altes Leben und auch die weltliche Liebe nicht verteufelt, nicht als Fundamentalist auftritt.

Songs wie „You Are So Beautiful“ sind selbst wunderschön, doch etwa nach der Hälfte der CD hatte ich schon beim ersten Anhören das Gefühl, dass „Everything’s OK“ etwas fehlt: neue Ideen! Sicher hören sich für meine Ohren deshalb viele Lieder ähnlich an, weil sie sich alle untereinander ähnlicher sind als das Meiste, was ich mir sonst noch anhöre. Aber erstens dürfte dieser Effekt bei den meisten Black Music-Fans eintreten, so dass sich Al Green und Willie Mitchel darauf hätten einstellen sollen. Und zweitens wäre einfach mehr drin gewesen an Kreativität und Abwechslung.

Damit will ich nicht sagen, dass Al Green noch ein paar Tracks mit den aktuell besonders gefragten Top-Produzenten hätte aufnehmen sollen, obwohl ich mir das sehr reizvoll vorstellen kann. Der warme Sound dieser CD ist auf seine eigene Art erfrischend und etwas Besonderes.

Für sein nächstes Album sollte der Künstler sich aber eine Neuerung ausdenken, um interessant zu bleiben. Aber gut! Für dieses Mal kann ich in Anlehnung an den Titel eines Ratgeber-Bestsellers abschließend über dieses Werk sagen: Ich bin OK, Du bist OK, Al Green ist OK.

Künstler: Al Green | Album: Everything’s OK | Label: Blue Note | VÖ: 11. März 2005 | Album des Monats: Mai 2005

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Oliver Springer gehört neben Jörg Wachsmuth zu den Gründern von rap2soul. Er lernte Hörfunk ab 1994 bei JAM FM und moderierte dort fast 12 Jahre. Später war der ausgebildete PR-Berater er als Pro-Blogger tätig. Gemeinsam mit Wachsmuth entwickelte Springer den Digitalradiosender PELI ONE - Dein neues Urban Music Radio, bei dem er seit 2018 den Nachmittag in der Drive Time moderiert.

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