Blu Cantrell – Bittersweet

Ohne Frage, „Bittersweet“ ist ein gutes Album. Würde ich ihr Debüt „So Blu“ nicht kennen, wäre ich vom Nachfolger geradezu begeistert, doch muss ich die ganze Zeit denken, dass sie es doch noch viel besser kann. Ihr erstes Album nahm Blu Cantrell nach einer komplizierten Beziehung auf, die sie in eine tiefe Krise gebracht hatte. Davon hat ihr Erstlingswerk anscheinend klar profitiert und ihm eine besondere Intensität verliehen. Eben diese Intensität vermag ich auf „Bittersweet“ nicht zu verspüren.

Ein Lied wie „Impatient“, bei dem Lil‘ Kim und Fat Joe mitmachen, fällt nicht aus dem Rahmen: Leider gehört diese Nummer zu den stärkeren Tracks: kommerziell, aber solide gemacht. Vielleicht sehe ich „Bittersweet“ auch aus einer falschen Perspektive. Als modernes R&B Album ist es eines des besten des Jahres. Indes gefällt mir der konzeptionelle Ansatz von „So Blu“ einfach besser, weil dabei die musikalischen Qualitäten Blu Cantrell’s weit besser zur Geltung kommen. Ihre Mutter war Amateur-Jazz-Sängerin, nahm Blu Cantrell und ihre fünf Geschwister stets zu ihren Auftritten mit. So entdeckte Blu Cantrell auch, dass das Singen genau das Richtige für sie ist. Dieser Jazz-Einschlag in ihrer Art zu singen, der „So Blu“ zu etwas ganz besonderem gemacht hatte, kommt auch „Bittersweet“ kaum durch. Klar gibt es für „normalen“ modernen R&B ein ungleich größeres Publikum; das gilt aber auch für die Masse an Künstlern, die diesen Markt bedienen. Nun will ich der Letzte sein, der Künstlern verbietet, sich zu entwickeln. Was hier passiert ist, scheint mir keine Entwicklung, sondern ein Glattbügeln für die Charts zu sein.

Die Produzenten Mike City, Tricky Stewart, Shep Crawford, Ivan Matias sowie Soulshock & Karlin haben dennoch ganze Arbeit geleistet. Auch Sean Paul, der auf der ersten Single „Breathe“ zu Gast ist, wirkt nicht fehl am Platz, sondern ergänzt Blu Cantrell sehr gut. Das zeigt dann auch wieder, was sie stimmlich drauf hat, denn neben Sean Pauls kräftiger, sehr markanten Stimme (ob man sie mag oder nicht), wirken die allermeisten Künstler blaß. Blu Cantrell dagegen überstrahlt ihn. Auch wenn ich persönlich ganz schön enttäuscht bin, ist „Bittersweet“ objektiv betrachtet doch ein sehr gutes Album.

Künstler: Blu Cantrell | Album: Bittersweet | Label: Arista | VÖ: 21. Juli 2003

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Oliver Springer gehört neben Jörg Wachsmuth zu den Gründern von rap2soul. Er lernte Hörfunk ab 1994 bei JAM FM und moderierte dort fast 12 Jahre. Später war der ausgebildete PR-Berater er als Pro-Blogger tätig. Gemeinsam mit Wachsmuth entwickelte Springer den Digitalradiosender PELI ONE - Dein neues Urban Music Radio, bei dem er seit 2018 den Nachmittag in der Drive Time moderiert.