Avant – Director

So eine angenehme Überraschung! Avant klingt auf seinem vierten Studioalbum noch besser als auf den sehr empfehlenswerten Vorgängern „My Thoughts“, „Ecstasy“, „Private Room“. Mit „Director“ ist er seinem Stil treu geblieben, hat ihn optimiert. Wer modernem R&B mit synthetischer Instrumentierung skeptisch gegenübersteht, sollte diesem Longplayer eine Chance geben, denn vielleicht versöhnt ihn die Stimme des Sängers, die so besonders gut zur Geltung kommt. So intensiv und präsent singen nur wenige seiner Kollegen.

Die Texte auf „Director“ überzeugen, auch wenn Avant freilich nicht wirklich Neues von sich gibt, was aber bei Liebesliedern meiner Meinung nach kein Muss ist – schon gar nicht, wenn es so schön klingt und – noch wichtiger! – er meine Seele damit erreicht.

Wenn Avant im ersten Song „So Many Ways“ mit Versen kommt, die übersetzt etwa „Wir müssen uns nichts ausleihen, wir machen unsere eigenen Filme.“ lauten, dann legt er damit eine falsche Fährte. Normalerweise geben R&B-Sänger nach solch einleitenden Worten ihre Sexfantasien zum Besten. Videokameras sind schon eine tolle Erfindung! Diesen Weg beschreitet Avant allerdings nicht und vermeidet es auch bei den anderen der 15 Tracks, sich besonders tief unter die Gürtellinie zu begeben. „Director“ ist ein romantisches Album, bei dem Avant zeigt, dass er weiß, was Frauen wollen und bei dem Männer was lernen können.

Das bedeutet nicht, dass er körperliche Aspekte der Liebe ausklammern würde, es ist mehr eine Frage des Wie und des Stils. Die Sache mit der Kamera greift Avant im Titeltrack nämlich geschickt wieder auf.

Manche Songs sind von verblüffender Einfachheit, „Lie About Us“ sei als Beispiel dafür angeführt. Die Frau, mit der er seine offizielle Freundin betrügt, bittet er wieder und wieder um Geduld. Er hatte ihr schon vor langer Zeit versprochen, seine Freundin zu verlassen, möchte aber deren Herz nicht brechen und deshalb nichts überstürzen. Angeblich kann er es selbst nicht erwarten, endlich nicht mehr lügen zu müssen. Das war’s im Wesentlichen auch schon! Im 21. Jahrhundert ich hier mehr Tiefe, da er doch an anderer Stelle des Albums die Tiefe selbst immer wieder beschwört. Schön zu Avant passt bei „Lie About Us“ Nicole Scherzinger, die als Leadsängerin der Pussycat Dolls bekannt ist.

Mit den Dolls hatte Avant auch schon für den Urban Remix ihres Hits „Stickwitu“ gearbeitet. Mit ihm zusammen gewinnt das Stück erheblich dazu, so dass man nicht irritiert zu sein braucht, es im Tracklisting von „Director“ zu finden.

Zu Gast auf Avants viertem Album sind außerdem Bone-Thugs-N-Harmony & Shawna beim Charthit „4 Minutes“ (der auch genau vier Minuten dauert), Lil’ Wayne bei „You Know What“ und Lloyd Banks bei „Exclusive“, der mit Versen wie „She came to give me that ass but I left with her mind” aus dem Rahmen fällt.

Zu hören ist auch die markante Stimme von Jermaine Dupri, der für „Director“ allerdings mehr als Produzent gearbeitet hat. Viele Künstler tun sich keinen Gefallen damit, A-Klasse-Produzenten wie ihn auf ihren Alben zu versammeln, denn die machen – jeder mit seinem persönlichen Erfolgsrezept – den eigenen Stil der eigentlichen Hauptperson platt. Für Avant hat sich die Zusammenarbeit mit JD, den Underdogs, Rodney Jerkins, Brian Michael Cox und Steve Huff indes gelohnt. Avant wird nicht zur Randfigur, was sicher viel mit seiner Stimmpräsenz zu tun hat.

FAZIT: Myron Avant aus Cleveland, Ohio liefert mit seinem vierten Album „Director“ nichts Neues, aber auch nicht weniger als romantischen R&B in Premium-Qualität.

Künstler: Avant | Album: Director | Label: Geffen (Universal) | VÖ: 9. Mai 2006

Über Oliver Springer 339 Artikel
Oliver Springer gehört neben Jörg Wachsmuth zu den Gründern von rap2soul. Er lernte Hörfunk ab 1994 bei JAM FM und moderierte dort fast 12 Jahre. Später war der ausgebildete PR-Berater er als Pro-Blogger tätig. Gemeinsam mit Wachsmuth entwickelte Springer den Digitalradiosender PELI ONE - Dein neues Urban Music Radio, bei dem er seit 2018 den Nachmittag in der Drive Time moderiert.

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