Gabin – Mr. Freedom

Den prägnanten Namen für ihr Projekt haben sich der bekannte DJ Filippo Clary und der renommierte Jazz-Bassist Massimo Bottini von der französischen Schauspieler-Ikone Jean Gabin ausgeliehen, wohl wissend, dass der Name Gabin für Stil, Persönlichkeit und einen markanten Charakter steht. Eigenschaften, die man getrost auf die Musik des italienischen Duos übertragen kann, das mit „Mr. Freedom“ jetzt sein zweites Album vorlegt.

Mit dem schlicht „Gabin“ betitelten Debütalbum gelang dem einfallsreichen Musikergespann vor drei Jahren auf Anhieb ein Klassiker des Chill-Out-Genres. Zudem stürmten sie mit dem unwiderstehlichen Tanzbodenfüller „Doo Uap Doo Uap Doo Uap“ weltweit die Charts; seit diesem auf dem Swing-Meilenstein „It Don’t Mean A Thing“ von Duke Ellington basierenden Geniestreich sind Gabin nicht nur auf zahlreichen populären Electro-Dance- und Lounge-Samplern vertreten, sondern zählen auch zu den gefragtesten Remixern der internationalen Producer-Szene. Zuletzt erschienen ein wunderbar subtiler Remix von Peggy Lees Klassiker „Fever“ auf dem Tribute-Album „Pink Panther’s Penthouse Party“ sowie die Bearbeitung eines Songs („Info The Dark“) des Blue Note-Künstlers Marc Moulin.

Trotz aller lukrativen Aufträge hatte für Gabin die Arbeit an ihrem zweiten Album Vorrang. Mit „Mr. Freedom“ haben sie ihren Sound zwar nicht völlig neu erfunden, aber um viele neue Facetten und Elemente erweitert. Das Chillout-Genre weit hinter sich lassend, dringen sie dabei tiefer als zuvor in klassische Jazz- und Soul-Bereiche vor. Eine der wichtigsten Entwicklungen im Gabin-Universum ist die jetzt noch stärkere Zusammenarbeit mit außergewöhnlichen Gastsängern und -sängerinnen, die den Songs eine ganz eigene Note verleihen. Edwyn Collins etwa, der mit der schottischen Band Orange Juice in den 80ern und später als Solist („A Girl Like You“) Popgeschichte schrieb, hat man nie cooler croonen gehört als auf dem hinreißenden Titelstück.

Flankiert von Bigband-Bläsern und einem unwiderstehlichen R&B-Groove scheint er sich mit „Mr. Freedom“ um die Mitgliedschaft im legendären Rat Pack zu bewerben. Nicht minder eindrucksvoll ist die Performance von Dee Dee Bridgewater auf dem ansteckend swingenden „Into My Soul“. Es spricht für das gewachsene Renommee von Gabin, dass sie eine der zweifellos größten Sängerinnen des Jazz für diese Kooperation gewinnen konnten. Mehr noch: Dee Dee Bridgewater hat auch ihre Tochter mitgebracht. Chirla Moses, die ihr Talent unüberhörbar von der Mutter geerbt hat, glänzt gleich auf vier Stücken, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: „The Other Way Round“ erweist sich als quirlig jazziger Tanzbodenfüller. „The Thousand And One Nights“ ist eine gefühlvolle Acid-Jazz-Ballade. „Just Be Yourself“ zollt bester House-Musik Tribut und „…And She’s Still Watching Me“ ist ein elegant schwebender Popsong, so sanft wie eine warme Sommerbrise.

An erlesener Musik mangelt es auf „Mr. Freedom“` wahrlich nicht. Das Instrumental „Midnight Caffè“ entführt in die 60er Jahre, in einen noblen Club an der französischen Riviera, in dem Herb Alpert zu relaxten Samba-Grooves für den guten Trompetenton sorgt. Bei „It’s Gonna Be“ handelt es sich um einen herrlich leichten Song, der seinen Charme nicht allein dem treibenden Bossa-Rhythmus, sondern auch dem vollmundigen Soul-Gesang von Jho Jenkins verdankt. Ganz anders klingen hingegen das quicklebendige „Africa“ mit virtuosem Flötensolo und der spektakulären Stimmbandakrobatik von Lisa Lore sowie die im Rockabilly und Big Beat geerdete Nummer „Bang Bang To The Rock’n’Roll“, auf der Massimo Bottini selbst den Gesang übernommen hat. Das gelingt ihm ebenso brillant wie die an Link Wray erinnernden Gitarrenparts.

Tatsächlich sind Gabin an Vielseitigkeit kaum zu übertreffen. Überdies wartet „Mr. Freedom“ mit einem guten halben Dutzend potenzieller Hits auf. Befürchtungen, die beiden Italiener könnten wie viele andere Dance-Producer als One-Hit-Wonder in die Annalen eingehen, dürften damit wohl endgültig vom Tisch sein. Mit ihrem in schönster Sixties-Nostalgie gefärbten Mix aus Soul, R&B, Jazz, Bossanova, Dance und Pop treffen Gabin punktgenau den Geschmack eines Publikums, das von Club-Musik statt stumpfsinniger Rhythmusgewitter intelligente und phantasievolle Klänge erwartet, die zum Tanzen wie zum Zuhören gleichermaßen einladen.

Künstler: Gabin | Album: Mr. Freedom | Label: Virgin Ital | VÖ: 6. Januar 2006

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Oliver Springer gehört neben Jörg Wachsmuth zu den Gründern von rap2soul. Er lernte Hörfunk ab 1994 bei JAM FM und moderierte dort fast 12 Jahre. Später war der ausgebildete PR-Berater er als Pro-Blogger tätig. Gemeinsam mit Wachsmuth entwickelte Springer den Digitalradiosender PELI ONE - Dein neues Urban Music Radio, bei dem er seit 2018 den Nachmittag in der Drive Time moderiert.