Rihanna – A Girl Like Me (weitere Kritik)

So jung, so frisch, so talentiert. Mit ihrem Debütalbum „Music Of The Sun“ inspirierte mich Rihanna vor nicht langer Zeit zur Schöpfung des Begriffs „Tropical R&B“. Ganz egal, ob mir das als Erstem eingefallen ist oder nicht. Die Sache ist ebenso Geschichte wie meine Begeisterung, denn mit dem Nachfolger „A Girl Like Me“ orientiert sich Rihanna leider Richtung Mittelmaß.

Anstatt den eigenständigen Sound ihres Debüts mit seinem unbeschwerten Lebensgefühl weiterzuentwickeln, statt sozusagen auf die Kraft der karibischen Sonne zu vertrauen, hat man sich dafür entschieden, Rihanna mehr wie die meisten anderen jungen R&B- und Popsängerinnen klingen lassen.Weniger Barbados-Feeling, mehr Pop, mehr Weichspüler statt von Herzen weicher Klänge.

Rihanna – A Girl Like Me (Cover)
Rihanna – A Girl Like Me (Cover)

Am Können ihres Teams, zu dem Ne-Yo, StarGate und Mike City zählen, sollte es nicht gelegen haben, am Budget von Def Jam wohl auch nicht – und erst Recht nicht an mangelndem Support ihres Labels: Der Boss Jay-Z persönlich nahm sie unter Vertrag und ist laut Gerüchten auch persönlich sehr an Rihanna interessiert – so sehr, dass Beyoncés „Ring The Alarm“ schon als Warnung an ihren Freund interpretiert wird…

Woran liegt es, dass manch Track auf „A Girl Like Me“ billig und lieblos klingt? Nur acht Monate nach „Music Of The Sun“ den Nachfolger auf den Markt zu werfen, könnte ein Grund sein, doch sicher nicht der wichtigste. Mit dem entsprechenden Support eines professionellen Teams lässt sich in der Zeit sehr wohl ein durchweg spannendes Album fertig stellen.

Statt „gewollt, aber nicht gekonnt“ gilt für „A Girl Like Me“ „gekonnt, aber nicht gewollt“. Sicher hat Rihanna das Potenzial, nicht nur Millionen von R&B Fans als Käufer zu gewinnen, sondern auch das weit größere Pop-Publikum zu entzücken. Der künstlerische Anspruch wurde so das Opfer ihrer Fähigkeiten. Mit Musik ist es eben wie mit Junk Food – einmal daran gewöhnt, geben viele Jugendliche dem Mampf den Vorzug und sind skeptisch gegenüber natürlicher Nahrung.

Ein karibischer Einschlag ist zwar auch auf „A Girl Like Me“, doch wirkt dieser blasser als auf ihrem Debüt. Der ganze Sound ist ein Stück härter und deutlich kühler in dieser Runde.

Insofern war es die richtige Entscheidung, „S. O. S.“ an den Anfang des Albums zu setzen und es als erste Single auszukoppeln, um den Richtungswechsel gleich entschlossen anzugehen. Der Song macht Spaß und bringt alles mit, um ein ganz dicker Hit zu werden – hat ja auch geklappt! Und nicht zu knapp!

Doch genau hier liegt – ohne die Qualität von „S. O. S.“ in Frage stellen zu wollen – mein Problem mit Rihannas zweitem Longplayer. Grundlage für den Hit ist ein Sample von „Tainted Love“ – dem Remake, mit dem das britische Synthie Sound Duo Soft Cell zu Beginn der 80er weltweite Charterfolge feierte. Rihanna indes hat das Talent, den Soulklassiker „Tainted Love“ im Sinne des Originals von Gloria Jones aus 1964 wiederzubeleben – genau das hätte man sie machen lassen sollen!

Meine Enttäuschung über „A Girl Like Me“ ist vor allem darin begründet, dass Rihannas Sound diesmal zu sehr auf Mainstream getrimmt wurde – kommerziell ausgerichtet war schon ihr Debüt in weiten Teilen, aber wenigstens auf seine Art originell.

Lichtblicke gibt es aber! „Dem Haters“ zeigt, dass es ja anders geht, wenn man nur will. Ihr Gesangspartner Dwane Husbands ist Rihanna dabei vom Soul-Faktor (ja, sogar bei den hohen Tönen!) unglücklicher Weise um zwei Level voraus, was den Song ein wenig aus dem Gleichgewicht bringt. Das liegt nicht an ihr, sondern an seinem Können. Trotzdem: Das wäre die richtige Richtung gewesen!

Mit J-Status als Support auf „Crazy Little Thing“ stimmt das Gleichgewicht – eine richtig runde Nummer, die zeigt, wie ohne große Innovationen ein unterscheidbarer Sound zustande kommen kann.

Glanzstück der Produktion ist „If It’s Lovin’ That You Want PART 2“ mit Rapper Corey Gunz, das mich spontan an “Indian Flute” von Timbaland & Magoo erinnerte, hinter dem aber Samuel „Tone“ Barnes and Jean Claude „Poke“ Olivier stecken – besser bekannt als die Trackmasters. Das zum Teil als Bonustrack geführte Stück hebt sich im Anspruch wie ein heller Stern am schwarzen Firmament überdeutlich vom Rest des Albums ab.

Weitere Review zum Album.

Künstler: Rihanna | Album: A Girl Like Me | Label: DefJam | VÖ: 28. April 2006 | Album des Monats: Mai 2006

Über Oliver Springer 339 Artikel
Oliver Springer gehört neben Jörg Wachsmuth zu den Gründern von rap2soul. Er lernte Hörfunk ab 1994 bei JAM FM und moderierte dort fast 12 Jahre. Später war der ausgebildete PR-Berater er als Pro-Blogger tätig. Gemeinsam mit Wachsmuth entwickelte Springer den Digitalradiosender PELI ONE - Dein neues Urban Music Radio, bei dem er seit 2018 den Nachmittag in der Drive Time moderiert.

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