R. Kelly Prozess: DeRogatis verweigert Aussage

4.6
Heute fand, leider unter Ausschluss der Jury, ein absonderliches Schauspiel statt: Der vom Richter Gaughan mehrfach zum Erscheinen aufgeforderte Reporter der Chicago Sun Times fand sich, nach weiteren Diskussionen seiner Anwälte mit dem Richter, im Zeugenstand ein. Leider beantwortete er jede einzelne Frage, auch die nach Namen und Beruf mit dem stereotypen Satz „Ich verweigere die Aussage nach anwaltlicher Beratung aufgrund meiner verfassungsmäßig garantierten Rechte und Privilegien als Reporter und des ersten und fünften Verfassungszusatzes.“

Die Anwälte R. Kellys stellen den Antrag, auch DeRogatis, genau wie Belastungszeugin Lisa van Allan, Straffreiheit bei etwaiger Selbstbelastung zuzusichern, das lehnte die Staatsanwaltschaft jedoch ab. Das allein erscheint mir schon höchst fragwürdig, wie bei Belastungs- und Entlastungszeugen zweierlei Maß angewendet wird.

So bleibt der Jury wohl erspart, sich zu wundern, warum dieser Reporter, der doch eine so wichtige Rolle in dem ganzen Schauspiel innehat, letztendlich doch nicht aussagen muss.

Dann sagte die heute 27-jaehrige Shawna Edwards, Cousine von Reshona Edwards, aus. Beide waren Mitglieder der Band 4TheCause und jahrelang zusammen auf Tour, 4TheCause ist ein Edwards-Familienprojekt.

Über den ohnehin engen Familienzusammenhalt hinaus kennt sie ihre Cousine Reshona auch durch gemeinsames Bewohnen eines Zimmers auf diversen Touren, und damit, das ist hierbei wichtig, auch unbekleidet.

Shawna sah das fragliche Video letzte Woche und gab and, die junge Frau im Video könne nicht Reshona sein, da speziell deren Körper, sprich Brüste und Figur zur fraglichen Zeit nicht annähernd so entwickelt waren.

Dann betrat Charlotte Edwards, Tante von Reshona, Schwester von Sparkle und der Mutter Reshonas, Valerie, den Zeugenstand. Sie wurde speziell zur vor Tagen befragten Zeugin TJ befragt, die letzte Woche angab, Reshona durch Besuche bei deren Eltern gut gekannt zu haben.

TJ gab in ihrer Aussage an, Reshona im Video erkannt zu haben. Charlotte Edwards sagte nun heute, das TJ, eine ehemalige Kollegin, niemals wie ausgesagt, im Haus von Reshona oder deren Großeltern war; auch war TJ nicht, wie ausgesagt, beim Videodreh von Sparkle mit dabei. Auch Charlotte Edwards sah das Video letzte Woche und auch sie sagte aus, dass die junge Frau im Video keinesfalls ihre Nichte Reshona sei.

Als nächster Zeuge erschien Leroy Edwards, Shawna Edwards Vater, Onkel und Bandleader von Reshona, Bruder von Reshoanas Mutter, Sparkle etc. Er gab an, Reshonas Band 4TheCause gegruendet zu haben, seit 15 Jahren zu managen, bei allen Auftritten und Touren zu begleiten und bei diesen Gelegenheiten der Erziehungsberechtigte gewesen zu sein.

Leroy Edwards gab an, dass Sparkle ihn 2002 zum Ansehen des fraglichen Videos aufgefordert hat, er dies ablehnte und das Video erst letzte Woche im Büro der Anwälte ansah. Auch er bestand darauf, dass die junge Frau keinesfalls seine Nichte Reshona ist.

Leroy Edwards sagte ebenfalls aus, dass seit den Anrufen Sparkles 2002 die sonst eng zusammenlebende Familie in zwei Parteien zerfallen ist, der Teil um Sparkle und Bruder Bennie will nach seinem Dafürhalten durch Anwälte Geld aus der Sache schlagen, die Eltern Reshonas, die Großeltern, er und Schwester Charlotte lehnen dies strikt ab und haben deswegen Streit mit der anderen Partei der Familie.

Interessant war auch, dass ausgerechnet Leroy Edwards, der Onkel der Familie, der durch Reshonas Bandmanagement den engsten Kontakt zu ihr hatte, nie von Polizei und Staatsanwaltschaft vernommen wurde.

Als letzter Zeuge wurde Jason Wallace aufgerufen, der als Investigator für die Anwälte R. Kellys, Adam Jr. und Adam Sr., tätig ist. Jason Wallace war Zeuge des Gespräches, das Adam Jr. am 10.5.2008 mit der Belastungszeugin Lisa van Allan in Atlanta führte. Er gab an, dass das gesamte Gespräch von van Allans Verlobten Yul Brown bestritten wurde, van Allan gab nickend ihre Zustimmung zum Gesagten oder Geforderten.

Vor dem Gespräch zwischen Adam Jr-, Wallace, van Allan und Brown im Ritz Carlton in Atlanta tastete Brown Wallace und Adam Jr. nach etwaigen Abhörgeräten ab, demnach wurde das Gespräch NICHT, wie von mir gestern berichtet, mitgeschnitten.

Brown bot Anwalt Adam Jr. und damit R. Kelly an, „[…] dass die Sache bereinigt werden könnte“, van Allan müsste nicht aussagen, die Entscheidung darüber müsse aber schnell fallen, da die Staatsanwaltschaft auf Aussage drängt und täglich, auch nachts um 3 Uhr, anrufen würde.

Auf die Frage, wie das bereinigt werden könnte, antwortete Brown, er wäre Geschäftsmann mit vielen Geschäften und Konten, man solle aber bedenken, dass van Allan bereits 350.000 Dollar für ein Buch angeboten bekommen hätte. Er könne keinen Preis nennen, und R. Kelly wüsste schon, wie das zu erledigen wäre.

Es wäre aber Eile geboten, denn die Staatsanwaltschaft hätte ihrerseits bei Nichtaussage von van Allan mit Maasnahmen gedroht, und Brown und van Allan müssen wissen, welchen Weg sie gehen sollen. Wallace hatte nach diesem Gespräch ein Protokoll angefertigt.

Ich weiß, es ist alles unglaublich verworren und anstrengend zu verfolgen, aber denkt bitte daran, die amerikanische Presse ist unglaublich oberflächlich, reißerisch und parteiisch, stellt Sachverhalte nie ausführlich dar und erwähnt Aussagen, die für R. Kelly sprechen, so gut wie gar nicht. Deswegen sollten wir uns besondere Mühe geben, als kritische Beobachter ein wenig mehr Zeit in die ganze Sache zu investieren.

Live aus Chicago
Beate Dyballa